An der Bundesstraße entlang
Wandern bei 45°C
Um 08:30 Uhr trafen wir uns vollbepackt am Gleis des Bremer Hauptbahnhofs um dann gemeinsam in den ICE Richtung Frankfurt zu steigen. Das Glück war auf unserer Seite und wir haben tatsächlich ein Einzelabteil gefunden, welches frei war und uns auch bis Koblenz zur Verfügung stand. Darin konnten wir unsere Sachen ausbreiten und so laut sein wie wir wollten, was wir sehr genossen. Mirijas Versuch Kontakt zum Nachbarabteil aufzunehmen war leider nicht erfolgreich. Die Zugfahrt war schön und ging irgendwie doch schneller vorbei als gedacht. Vor allem lag das daran, dass wir alle felsenfester Überzeugung waren, dass wir noch in Bonn halten würden, aber taten dies nicht. So waren wir alle sehr geschockt als plötzlich Koblenz Hauptbahnhof durchgesagt wurde.
Schließlich standen wir um 13:00 Uhr in Koblenz und hatten jetzt schon alle Rückenschmerzen, da unsere Rucksäcke bereits jetzt schon viel zu schwer waren. Wir waren uns alle einig, dass die nächsten Tage zur Qual werden würden. Aber frohen Mutes marschierten wir los um die Mosel zu finden. Kurz darauf wurde unsere Motivation von einem älteren Herrn gebremst, der uns netterweise darauf hinwies, dass wir in die falsche Richtung liefen. Also wieder zurück und neue Route. Diese ging zunächst seeeeehr steil bergauf und führte uns zu einem großen Friedhof. Diesen wollten wir als Abkürzung nutzen und liefen quer durch.
Hier zu erwähnen ist, dass dieser Friedhof sehr groß ist und dies ein Grund sein könnte, weshalb wir uns mächtig verlaufen hatten. Wir sind dann am nächstbesten Ausgang herausgegangen und mussten eine ultra steile und lange Straße nach oben laufen und waren unfassbar fertig als wir oben ankamen. Dort gingen wir geradeaus weiter… Das wurde uns später noch zum Verhängnis. Als wir immer so weitergehen und es immer heißer und anstrengender wurde bekamen wir Zweifel, ob wir denn überhaupt auf dem richtigen Weg seien, also wurde zum ersten Mal der Kompass auf die Karte gelegt, aber so richtig weiter geholfen hat uns das zunächst nicht, da wir immer noch nicht wussten wo genau wir waren und schlussendlich wurde an der Funktionalität des Kompasses gezweifelt. Es ging weiter geradeaus und als wir dachten die Mosel zu sehen wären wir beinahe zum Rhein herunter gelaufen. Einige Zeit später stellten wir fest, dass wir vermutlich im Kreis gelaufen sind, denn vor uns stand ein Schild ,,Zum Hauptfriedhof“. Nach kurzer kompletter Verzweiflung und fehlender Motivation haben wir geklärt wo unser Fehler lag und folgten dem Schild zum Hauptfriedhof. Am Ende der Straße erwartete uns wieder die super steile Straße und wir beschlossen erst einmal Pause zu machen. Voller neuer Energie nahmen wir es mit dem Berg auf und wir beschwerten uns mit jedem Schritt, was alles weh tat. Hoch im Kurs waren Schulter und Hüfte… Und das an Tag eins....
Oben angekommen gingen wir diesmal nach rechts und nicht geradeaus. Nach einigen verschachtelten Straßen in denen wir fast wieder die Orientierung verloren hatten kamen wir am Spielplatz an. Mirija freute sich über eine kurze Pause und ging zielstrebig zur Schaukel. Mit dem Rucksack auf dem Rücken versuchte sie sich auf die Schaukel zu setzen. Nach einigen Versuchen gelang ihr das und das Schaukeln begann. Beim zurücklehnen zum Anschwung machen wurde sie von dem Gewicht ihres Rucksacks überwältigt und kippte rücklings von der Schaukel. Daraufhin wurde lange und laut gelacht. Mirija konnte sich kaum bewegen und lag immer noch unter der Schaukel wie ein umgedrehter Käfer. Nachdem ihr hoch geholfen wurde ging es weiter. Diesmal waren wir auf dem richtigen Weg und konnten die Mosel endlich schon sehen. Voller Vorfreude sind Ida und Christina das letzte Stück zum Wasser gerannt und die Rucksäcke und Wanderschuhe wurden sofort ins Gras geworfen und danach ging es sofort ins Wasser. Nach einer ausreichenden Schlafpause schnabulierten wir unsere selbst gemachten Müsliriegel.
Wir stellten einige Behauptungen für die nächsten Tage auf:
- Die ultra schweren Zeltbahnen werden nicht gebraucht
- Der zweite Topf ist auch überflüssig
- Mirija verliert ihren Hut
- Wir bekommen alle Sonnenbrand
- Die Kelle wird unbrauchbar oder verschwindet
Es war 18:30 Uhr als uns auf den Weg machten und an der Mosel entlang aus der Stadt heraus liefen. Die Strecke war allerdings nicht so schön, da wir die ganze Zeit an einer Bundesstraße lang gehen mussten. Langsam ging uns das Wasser aus und daher mussten wir auf jeden Fall noch das nächste Dorf erreichen um nach Wasser zu fragen. Die Sonne begann sich langsam zu verabschieden und wir erreichten endlich Koblenz Lay. Dort sprachen wir einen Mann an der gerade zufällig in seinem Garten war und fragten ihn nach Wasser. Er zeigte uns seinen Brunnen und wir füllten alle unsere Flaschen auf. Danach hat er uns freundlicherweise angeboten auf seiner Parzelle zu schlafen. Wir bedanken uns und verneinten das Angebot, da wir noch ein bisschen laufen wollten. Als wir an der nächsten Ecke Pause machen wollten boten uns zwei weitere nette Menschen an bei denen im Garten zu schlafen. Da waren wir schon ein bisschen überwältigt von der Gastfreundschaft. Aber auch diesmal liefen wir weiter, da wir einen ungestörteren Schlafplatz im Wald haben wollten.
So verschlug es uns wieder auf die Bundesstraße und wir liefen wieder weiter. Ida und Nina liefen etwas weiter vorne als neben Mirija und Marie ein Auto hielt. Nachdem das Gespräch doch etwas länger dauerte beschlossen Ida und Nina mal nachzusehen. Es war ein Mann am Steuer und neben ihm saß sein Sohn. Dieser war auch Pfadfinder und bot uns einen Schlafplatz auf ihrem Pfadfinderplatz an. Die beiden wirkt total sympathisch und wir beschlossen diesmal das Angebot anzunehmen. Er wollte uns schon direkt mitnehmen und wir haben gesagt, dass wir ja noch ins nächste Dorf laufen können. Der Lagerplatz war nämlich in Dieblich. Der Vater des Jungen meinte dann, wir sollen erst einmal weiter laufen und er holt uns dann ab. Als sie beiden losfuhren waren wir alle sehr glücklich und das gab uns noch mal einen Motivationsschub. Die Rucksäcke waren zwar immer noch sehr schwer, aber wir kamen jetzt echt gut voran.
Nach circa 20 Minuten Weg kam auch schon der Vater und sammelte uns ein. Die Rucksäcke passten zum Glück alle in den Kofferraum und Nina musste vorne sitzen, weil sie am wenigsten gestunken hat. Im Auto war es echt gemütlich und wir merkten jetzt erst wie müde wir eigentlich waren. Der Vater fuhr in Dieblich ab und es ging ein paar Feldwege hoch in den Wald. Dort erwarteten uns noch ein paar andere Pfadfinder, ein Lagerfeuer und ein schöner Schlafplatz mit Wasserstelle und Aussicht auf die Berge. Die Pfadfinder dort waren alle so 19/20 Jahre alt und von dem sehr kleinen Bund PSD (Pfadfinderschaft Süddeutschland). Wir saßen noch ein bisschen gemeinsam am Feuer, aßen und unterhielten uns. Dabei kam heraus, dass der Ort Karthausen von heute Morgen gar kein Ort ist sondern ein Berg namens Karthause ist- und was viel schlimmer war - wir hätten diesen Berg gar nicht laufen müssen. Koblenz ist eigentlich total flach, wenn man sich nicht den einzigen Berg als Ziel setzt. Zweimal! Danach sind wir ins Bett gegangen und wir schliefen unter freiem Himmel mit Blick auf die Sterne ein und lauschten den Geräuschen der Bundesstraße.
Am nächsten Morgen wachten wir spät bei den Pfadfindern auf. Während wir gerade am aufwachen waren, machten sie sich schon auf den Heimweg, sie verabschiedeten sich und wünschten uns noch viel Spaß. Wir machten uns dann langsam fertig und nutzten das volle Potential der Waschstelle mit fließend Wasser aus. Wir vertrieben uns die Zeit mit Rucksack-neu-packen, Berichte schreiben und Zöpfe flechten bis wir schließlich um 12:00 Uhr in der Mittagshitze losliefen. Dies war definitiv ein Fehler, denn es war super anstrengend und viel zu warm. Wir hatten schon nach kürzester Zeit kein Wasser mehr. Am Wegesrand waren ganz viele Brombeersträucher, aber alle außer Mirija liefen achtlos vorbei, Mirija genoss ihre Brombeerpause. Nach viele Pausen im Schatten erreichten wir Dieblich. Dort wollten wir zum Supermarkt, allerdings war der Weg dorthin komplizierter als gedacht.
Als wir dann endlich ankamen gingen Ida und Nina einkaufen und Marie und Mirija blieben draußen sitzen und passten auf die Rücksäcke auf. Es war aber nicht so erholsam wie gedacht, da jede Person die vorbeilief ein Gespräch mit uns anfangen wollte und wir deswegen nicht, wie erhofft, schlafen konnten.
Schnell stellte sich heraus, dass wir zum Dorfgespräch geworden sind. Es lief sogar eine Frau an uns vorbei, die uns sagte, wie froh sie wäre uns endlich live zu sehen. Ida und Nina brachten Eis mit, welches wir innerhalb weniger Minuten aufaßen. Wir hatten alle sehr starke Rückenschmerzen von unseren schweren Rucksäcken und waren ernsthaft am überlegen, ob wir nicht die Zeltbahnen und die Töpfe zurück nach Bremen schicken sollte. Wir erkundigten uns nach der nächsten Post Station, doch die war leider schon geschlossen. Also mussten wir wohl oder übel unsere Rucksäcke wieder aufsetzen und weiter an der B49 langlaufen.
Nach kurzer Zeit fanden wir eine Badestelle und aßen dort Jogurt mit frischen Früchten. Im Anschluss gingen wir Baden und wuschen unsere Kluften. Wir hatten Angst vor Unterströmungen und banden uns deshalb an. Das heißt Ida, Marie und Mirija hatten Seile um ihre Oberkörper gewickelt und schwammen hin und her während Nina am Ufer stand und das Seil festhielt. Durch die Mosel fuhren viele Binnen- und Kreuzfahrtschiffe und uns wurde erst jetzt bewusst was für eine starke Sogwirkung diese hatten und was für eine Belastung sie für das Ökosystem Fluss darstellten. Wir waren alle sehr schockiert. Nach einiger Zeit mussten wir weiter gehen. Es war zwar jetzt früher Abend, aber immer noch weit über 30°C. Das machte uns, aber vor allem Ida, sehr zu schaffen. Ida war sehr fertig und als sie die lang ersehnte Brücke, die uns auf das andere Moselufer leiten sollte, sah freute sie sich etwas zu doll. Sie drehte sich um, stolperte ein wenig und hätte sich eigentlich fangen können, doch das Gewicht des Rucksacks zog sie sehr nach unten und so fiel sie zu Boden und knallte mit dem Kopf auf die Leitplanke.
Nachdem Ida wieder bei Sinnen war überquerten wir die Mosel, gingen durch ein kleines, malerisches Örtchen, das sehr mittelalterlich aussah und liefen auf den Wald zu, in dem wir die heutige Nacht quartieren wollten. Wir richteten direkt unseren Schlafplatz ein und hingen unsere nassen Sachen in die umliegenden Bäume. Es wurde dunkel und wir fingen an Abend zu essen, es gab wie jeden anderen Tag, Brot mit Tomatenmark und Kräutern. Im Gebüsch um uns rum hörten wir knacken und so kamen wir auf das Thema Wildschweine zu sprechen. Langsam aber sicher machte sich die Angst vor so einem Tier bereit. Wir packten unser gesamtes Essen in einen Beutel und rollten es den Abhang hinunter. Das knacken hörte auf und wir legten uns in unsere Schlafsäcke und konnten beruhigt einschlafen...
So dachten wir zumindest. Das Knacken kam immer näher, wurde immer lauter und war eindeutig zu groß für einen Fuchs. Unser einziger Schluss: Wildschwein. Um das Wildschwein zu vertreiben stimmten wir vor lauter Panik Panama an um das Wildschwein zu vertreiben. Als das Knacken über uns und sehr laut war sprangen wir auf und packten in Windeseile unsere Sachen von den Bäumen ein, nahmen die Isomatten und Schlafsäcke in die Hand und sammelten den Essensbeutel ein. Wir rannten förmlich aus dem Wald heraus und machten erst eine Pause als wir wieder im Dorf waren. Mit diesem Erlebnis hatten wir das Thema im Wald schlafen für diese Sippenfahrt abgehakt. Wir liefen wieder die Bundestrasse entlang, jedoch hatte dieser Abschnitt aus irgendwelchen Gründen keine Straßenlaternen, sodass wir im Gänsemarsch hintereinander laufen mussten. Wir kamen schnell im nächsten Ort an und suchten uns den erst besten Schlafplatz aus. Wir schliefen einfach an einer Wiese direkt an der Mosel, die für die Einwohner sowas war, wie für uns der Osterdeich. Wir überlegten wie seltsam es für die Bewohner des Orts sein muss, wenn da plötzlich vier Pfadfinder schlafen würden. Der Himmel war sehr klar und wir konnten die Sterne sehen und entdeckten sogar die ein oder andere Sternschnuppe.
Morgens mussten wir dann früh aufstehen, um noch ein bisschen Stecke zu schaffen bevor es ab 10:00 Uhr unerträglich heiß wurde. Also klingelte der Wecker um 06:00 Uhr und wir packten alle schnell unsere Sachen zusammen, naja nicht alle. Mirija beeilte sich nur in ihrem Kopf und war noch zu müde dies in die Tat umzusetzen. Nach langer Wartezeit der anderen bis auch Mirijas Rucksack gepackt war, ging es los.
Und so liefen wir wieder an der Bundesstraße entlang und kamen schließlich auf einer Wiese an der Mosel an, an der wir sogleich frühstückten. Nur leider waren auf dieser Wiese sehr viele Enten und sie kamen immer näher und näher. Als sie uns bedrohlich nah kamen standen wir auf und liefen weiter in der Hoffnung auf einen Supermarkt im nächsten Ort. Wir wollten in Löf (relativ großes Dorf an der Mosel) einkaufen gehen. Doch als wir uns erkundigten wo denn der nächste Supermarkt wäre, sagte man und es gäbe keinen. Wir waren sehr geschockt und setzten uns erst einmal unter eine Brücke um unserer Frustration und Erschöpfung freien Lauf zu lassen. Es wurde immer wärmer und die Sonne brannte immer mehr auf der Haut und doch machten wir uns auf den Weg über die Brücke, denn das Dorf auf der anderen Seite, welches wesentlich kleiner war, verfügte anscheinend über einen Supermarkt.
Wir wollten möglichst schnell auf die Brücke herauf kommen also nahmen wir kurzer Hand eine sehr steile und zugewachsene Diensttreppe. Mit dem Gewicht des Rucksacks auf den Schultern war es sehr schwer das Gleichgewicht zu halten.
Auf der anderen Seite der Mosel angekommen fanden wir keinen schönen Platz am Fluss. also liefen wir etwas bergauf und legten uns dort neben die Weinfelder. Marie und Mirija gingen einkaufen während Ida und Nina sich ausruhten. Der Supermarkt war allerdings auch kein Supermarkt sondern viel eher ein kleiner Dorfladen, bei dem man gerade so das wichtigste findet. Der Laden verkaufte nicht einmal unser Hauptnahrungsmittel Gurken. Auf dem Rückweg schütteten die beiden Einkaufenden sich Wasser mit einem Topf über den Kopf und wuschen ihre Kluften (dies war auch dringend notwendig). Wieder beim Mittagspausenplatz angekommen weckten sie die beiden anderen. Ida, aber vor allem Nina, wachten sehr zerknautscht und von der Hitze völlig mitgenommen auf. Sie bereuten es, sich schlafen gelegt zu haben. Zum Mittag gab es Wraps und die Wespen wollten auch gerne daran teil haben. Sie flogen besonders um Marie herum und wurden auch schnell als Ausgeburten der Hölle bezeichnet. Nach dem Essen machten wir uns wieder auf den Weg zurück nach Löf. Wir machten wieder eine Pause unter der Brücke, da dies der einzige schattige Ort war und die Hitze langsam unerträglich wurde. Des Weiteren plagten uns die Rückenschmerzen, doch plötzlich sahen wir einen Kinderwagen mit einem Schild auf dem stand: ,,Zu verschenken. Gratis zum mitnehmen" und Nina und Mirija kamen auf die grandiose Idee diesen mitzunehmen und dort die schweren Rucksäcke reinzutun. Auf einmal fiel das gesamte Gewicht von den Schultern ab und das Laufen war viel angenehmer. Nina und Mirija waren begeistert von der Idee, Marie und Ida jedoch nicht so. Im Laufe des Tages bemerkten sie dann doch, dass der Kinderwagen eine lebensrettende Maßnahme war. Wir fanden eine Badestelle und gingen schwimmen. Mittlerweile vertrauten wir der Mosel so sehr, dass wir uns nicht mehr festbanden zum schwimmen. nach einer riesigen Sogwelle von einem Kreuzfahrtschiff wurde all unser Hab und Gut ins Wasser gezogen. Marie und Nina sprinteten los, sammelten alles wieder ein und schmissen es an Land. Nur leider war Mirijas einer Flip Flop nicht dabei, der ist im Wasser abgetrieben. Zum Glück fanden wir ihn später noch.
Mittlerweile zeigte der Wecker 45°C in der Sonne an. Die Hitze machte uns allen sehr zu schaffen, sodass wir uns in den Schatten legten und uns ausruhten, Irgendwann, als die Luft abgekühlt war, zogen wir weiter und liefen die Bundesstraße hinab. Inzwischen hatten sich auch Marie und Ida mit unserem treuen Weggefährten dem Kinderwagen angefreundet und waren ebenfalls erleichtert, die schweren Rucksäcke nicht mehr selber tragen zu müssen. So machte das Wandern auch wieder spaß.
Es wäre jetzt auch eigentlich sehr schön gewesen, so ohne Rucksack direkt an der Mosel entlang zu laufen... Wenn bloß die Bundesstraße nicht wäre.
Neben eben dieser fanden wir abends einen schönen Schlafplatz und wollten gerade unsere Sachen auspacken, als wir bemerkten, dass direkt neben uns ein Wespennest war. Wir waren uns alle einig, hier wollten wir diese Nacht nicht verbringen.
Also gingen wir ein paar hundert Meter weiter und faden einen vieeeel besseren Schlafplatz ohne Wespennest. Dieser war viel größer, hatte eine Wiese und einen anliegenden Wald, eine Badestelle, die keine vier Meter weg war, und war ringsherum von Bäumen und Schilf bewachsen, sodass man uns nicht sehen konnte. Alles in allem also ein perfekter Schlafplatz. Wir waren sogar so begeistert von ihm, dass wir beschlossen den gesamten morgigen Tag hier zu verbringen und erst abends wieder weiter zu laufen. Abends hatte Nina plötzlich eine kreative Phase und schrieb kurzer Hand ein Sippenfahrtlied. Als es dunkel wurde, legten wir uns in unsere Schlafsäcke und schauten zu den Sternen herauf. Ab und zu kam ein Lüftchen mit einem extrem bitteren Geruch zu uns herüber geweht. An einer Schlafstelle ganz in der Nähe machte jemand ein Lagerfeuer und der Rauchgeruch überdeckte zum Glück den Gestank. Und so konnten wir mit dem vertrauten Geruch von Lagerfeuer und ausnahmsweise mal ohne Geräusche der B49 einschlafen.
An diesem Morgen wurden wir von den Sonnenstrahlen geweckt. Wir frühstückten entspannt und gingen direkt danach baden. Im Wasser waren nur leider sehr viele Algen und man hörte sehr viele angewiderte Geräusche, wenn jemand eine Alge mit dem Fuß berührte. Wir kamen zu zwei Erkenntnissen: Ida rülpst viel beim schwimmen und Nina braucht seeehr lange um ins Wasser zu gehen. Ida und Mirija schwammen noch weiter während Marie und Nina aus dem Wasser gingen um Blumenkränze zu flechten. Maries Kranz sah sehr schön aus, Ninas eher so naja. Nina zog sich ihren ersten Wespenstich zu und war erstaunt, weil sie dachte ein Stich ist mit mehr Schmerzen verbunden. Ihre Angst hat sich trotzdem nicht verringert. In der Sonne wurde es unerträglich warm, sodass wir in den Schatten umzogen. Dort lagen viele Steine auf dem Boden und es war nicht gemütlich dort zu sitzen. Wir spielten Kartenspiele und ließen den Anblick der Mosel auf uns wirken. Wir waren überrascht wie wenig man den Lärm der B49 hörte, obwohl wir keine 20m von ihr weg saßen.
Marie wurde ebenfalls von einer Wespe gestochen, ihr gesamter Fuß schwoll an und der Stich tat deutlich mehr weh als der von Nina. Wir bemerkten wie sich der Himmel verdunkelte und eine Gewitterfront aufzog. Schnell packten wir unsere Sachen zusammen und zurrten sie auf dem Kinderwagen fest.
Es waren jetzt ,,nur noch“ 32°C und wir kamen mit dem Kinderwagen gut voran. Der Regen begann und wir zogen unsere Regenjacken an. Ninas Disneyland Poncho erwies sich als sehr praktisch um den Essensbeutel vor Regen zu Schützen. Wir wurden alle sehr nass - von Regen und von Schweiß. Auf der Bahnschiene, die neben uns verlief stießen fast zwei Züge zusammen.
Im nächsten Dorf machten wir eine Pause und setzten uns bedauerlicherweise in ein Ameisennest. Wir dippten Knäckebrot in Marmelade und in den vegetarischen Brotaufstrich und aßen Kekse. Die Mahlzeit enthielt nicht viele Nährstoffe war aber sehr lecker. Zusätzlich aß Nina aus der Kelle geschmolzene Müsliriegel mit Hafermilch. Es war ein seltsamer Anblick aber wenigstens wurde so die Kelle wenigstens einmal genutzt. Über den Bergen war ein Regenbogen erkennbar und es war eigentlich ein schöner Anblick, wenn bloß die Bundesstraße nicht wäre... und der Tatsache, dass Nina im Schwabenstil ihre Socken bis zu den Knien hochzog. Wir waren alle vollkommen fertig und machten mehr oder weniger schöne Fotos.
Es kam ein sehr seltsamer Mann auf uns zu der uns darauf hinwies, dass wir erst 39km gelaufen sind und dass wir ja noch nicht weit gekommen wären. Dies fanden wir sehr unfreundlich, da er dies einfach ohne Kontext gesagt hat und gar nicht wusste seit wann wir schon unterwegs sind. Außerdem muss man unsere schweren Rucksäcke und die hohen Temperaturen beachten bevor man sowas sagt. Wir waren einfach nur verwirrt und wollten, dass der Mann schnell geht. Zum Glück tat er das auch und wir beschlossen auch weiter zu gehen.
Wir liefen wieder an der Bundestrasse entlang und langsam wurde es dunkel und wir mussten einen Schlafplatz finden. Dies erwies sich als komplizierter als gedacht, da der Weg auf dem wir liefen direkt an der Mosel war, es gab nicht einmal eine Böschung oder einen Hang oder ähnliches. Wir wollten aber aus Wildschweingründen nicht erneut im Wald schlafen also liefen wir weiter und weiter und weiter. Nach gefühlten Ewigkeiten kamen wir im nächsten Dorf an. Keine 10m vor dem Ortsschild war ein großer Baum, hohes Gras und mehrere Heuballen aufgestellt. Wir hatten unseren Schlafplatz gefunden. Trotz der Nähe zum Dorf und zur Bundesstraße konnte man uns nicht sehen. Der Boden war aber nicht so eben wie erhofft, sondern von vielen Steinen geprägt. Während alle anderen gerade am Einschlafen waren grub Mirija mit dem Klappspaten Steine unter ihrer Isomatte aus. Da es Abends kälter wurde beschlossen wir mit Leggins zu schlafen. Ida bereute dies sehr, da sie mitten in der Nacht schweißgebadet aufwachte, weil ihr so warm war. Aber abgesehen davon wäre dies ein schöner Schlafplatz gewesen...wenn bloß die Bundesstraße nicht wäre.
Am nächsten Morgen klingelte um 6:00 Uhr der Wecker und langsam wachten vier müde Gestalten aus dem Schlaf auf. Die Sachen wurden gepackt, der Kinderwagen festgeschnürt und wir machten uns wieder auf den Weg, die Mosel hinauf. Auf der Karte entdeckten wir einen Wasserfall, den wollten wir aufsuchen und dort den Tag verbringen. Wir guckten ab und zu ob es rechts in den Bergen nach einem Wasserfall aussah. Wir fanden einige zugewachsene Flüsse und hatten unsere Hoffnung schon fast aufgegeben doch dann sagen wir ein Schild mit ,,Wasserfall". Wir schulterten unsere Rucksäcke und stellten den Kinderwagen unten ab. Wir nahmen drei Trinkflaschen und etwas zu essen mit. Laut der Karte war dies ein gut besuchtes Wandergebiet und der Weg zum Wasserfall sollte 700m lang sein. Also liefen wir hoch motiviert los. Bergauf. Es war viel zu warm und schwül, als dass wir schnell voran kommen könnten.
Schon bei der ersten Pause waren wir alle komplett durchgeschwitzt, sodass Dampf aus der Haut aufstieg. Durch das Gewitter am Vortag waren alle Bäume nass und tropften, was dazu führte, dass die Luftfeuchtigkeit bei gefühlten 100% lag und man seinen eigenen Atem sehen konnte. Der Weg bergauf zog sich sehr in die Länge und war sehr anstrengend und rutschig. Als wir endlich etwas Wasserfallähnliches sahen waren wir sehr froh. Beim Wasserfall trafen wir auf einen Fotografen, der Fotos vom Wasserfall machte. Wir fragten ihn, wie weit es noch bis zum Wasserfall sei und er sagte nicht weit und zeigte weiter Bergauf. Hochmotiviert sich gleich am Wasserfall abzukühlen liefen wir weiter. Der Berg wurde immer steiler und die Serpentinen nahmen zu und wurden immer enger. Wir waren die ersten Menschen, die nach dem Unwetter den Berg erklommen, deswegen kreuzten immer wieder umgekippte Bäume unseren Weg. Diesen steilen Weg mit den Rucksäcken zu laufen war sehr anstrengend und die Schmerzen in unseren Füßen und Beinen nahm zu. Uns wurde bewusst warum wir lieber direkt an der Mosel liefen anstatt in den Bergen ringsherum. Nach vielen Pausen kamen wir komplett durchgeschwitzt auf der Bergspitze an und wir kamen zu dem Schluss, dass der Fotograf uns angelogen hat, damit er in Ruhe seine Fotos machen kann und nicht von vier Pfadfindern gestört wird.
Wir wollten den Weg aber auch nicht wieder zurück laufen da er bergauf schon rutschig genug war also liefen wir einfach weiter den Wanderweg entlang. Als wir den Wald verließen eröffnete sich uns ein Anblick mit dem wir nie gerechnet hätten: Landwirtschaft auf flacher Ebene. Es sah aus wie in Niedersachsen und wir fühlten uns plötzlich sehr Heimatverbunden. In der Ferne hörte man nur einen Trecker auf und ab fahren und Bäume rauschen. Wir waren sehr fasziniert davon, wie leise es sein kann, wenn man nicht direkt neben der Bundesstraße läuft.
Wir wollten an einem Bauernhof nach Wasser fragen, aber die haben uns grundlos die Tür vor der Nase zugeschlagen. So wurden uns unsere drei Flaschen zum Verhängnis, da wir alle so viel Durst hatten, dass jeder von uns alleine drei Flaschen trinken konnte. Uns blieb nichts anderes übrig als unsere Flaschen an einem Bach aufzufüllen. Nach einer ausreichenden Pause gingen wir in der Mittagshitze weiter und stimmten das ein oder andere Lied an. Irgendwann kamen wir an einem Aussichtspunkt an und der Anblick war echt schön. Man konnte die umliegenden Dörfer und Berge, die Mosel mit den darauf paddelnden Kanufahrern und unsere geliebte Bundestrasse sehen. Ein kleines bisschen vermissten wir sie schon.
Mirijas Isomatte rollte plötzlich Bergab, alle waren geschockt, abgesehen von Marie. Sie reagierte schnell und rettete die Isomatte. Hätte Marie nicht die Initiative ergriffen wäre die Isomatte den Hang hinunter gerollt und wäre für immer weg gewesen. Wir genossen den Ausblick, machten ein paar Fotos und trafen eine echte Bergeidechse. Als alle Kraftreserven wieder aufgefüllt waren machten wir uns auf den Weg bergab.
Dieser Weg war wenigstens einigermaßen befestigt, nicht so wie der Weg nach oben. Nina und Ida trafen auf eine Schlange und liefen sehr schnell weg. Als wir wieder an der Bundesstraße ankamen verabschiedeten wir uns von unserem Lebensretter dem Kinderwagen und machten uns wieder auf den Weg ins nächste Dorf. Dort wollten wir einkaufen gehen und fragten eine Bewohnerin und sie eröffnete uns die schrecklichen Nachrichten: in diesem Dorf gibt es keinen Supermarkt. Also machten wir erst einmal eine Frustrationspause und cremten uns ein. Mirija hatte viel zu viel Sonnencreme benutzt und hatte überall noch Sonnencreme. Wir druckten schon einmal unsere Zugverbindungen für den morgigen Tag aus und kamen dabei auf eine grandiose Idee: Maries Eltern machen gerade ganz in der Nähe Urlaub und sie könnten die schweren Zeltbahnen abholen. Motiviert von dieser Idee ging es weiter und weiter.
Wir wollten unsere Flaschen an einem Springbrunnen auffüllen, doch das Wasser sah sehr grün aus und zum Glück wies uns eine ältere Dame darauf hin, dass dies kein Trinkwasser sei und dass auf der anderen Moselseite eine frische Trinkwasserquelle sei. Wir bedankten uns und fuhren mit einer Fähre auf die andere Seite. Dort liefen wir durch Parzellengebiete und am Wald entlang. Wir vermissten die vertrauten Geräusche der Bundestrasse.
Gegen Abend kamen wir beim Supermarkt an und kauften dort direkt ein. Die Kassiererin wies uns sehr freundlich und in vollkommen gerechtfertigten Ton darauf hin, dass wir unsere Sachen zu langsam einpackten. Wir liefen ein kleines Stück wieder zurück und entschieden uns für einen Schlafplatz. Er lag hinter einem Brombeerstreifen und so konnten wir uns sicher sein, dass uns niemand finden würde, denn niemand würde freiwillig durch 25m Brombeeren-Brennessel-Gewächs gehen, was größer ist als man selber uns sich davon die gesamten Beine zerkratzen lassen. Wir bereiteten das Abendessen, Jogurt mit Früchten, vor und wuschen uns und unsere Kluften noch ein letztes Mal bevor wir morgen in den Zug steigen würden. Wir ließen den Abend gemütlich mit singen und Kartenspielen ausklingen bevor wir in den Schlaf fielen.
Nachdem wir um 07:00 Uhr aufgewacht waren, beschlossen wir zunächst eine gemütliche Runde Karten zu spielen. Danach packten wir in Ruhe unsere Sachen und der ein oder andere wusch sich. Als alles gepackt und auch Mirija endlich fertig war, mussten wir durch das Meer aus Brenneseln und Dornen zurück auf den Weg. Nina trug dabei ihre Isomatte als Schutz vor sich um die gefährlichen „Pflanzen“ von sich fern zu halten. Das war weniger nützlich, als das es echt bescheuert aussah. Unser erstes Ziel für heute und unser letztes Ziel in dieser Gruppenkonstellation, war der Bahnhof in Cochem und so führte es uns das letzte Stück an der Mosel entlang. Viel schneller als gedacht erreichten wir die Brücke, die uns direkt zum Bahnhof in Cochem führte. Mirija und Nina setzten sich gemütlich in den Schatten, während Ida und Marie ein Quer-durchs-Land Ticket kauften. Der Zug ließ nicht lange auf sich warten und bald schon saßen wir gemütlich auf einem vierer Platz und konnten die ganze abgelaufene Strecke noch einmal aus dem Zugfenster bestaunen. So wenig wie wir dachten, sind wir gar nicht gelaufen. Kurz vor Koblenz sind wir aus unserer nostalgischen Stimmung gerissen worden. Eine Zugdurchsage erschallte in einer Lautstärke, in der noch 5 km entfernt die Menschen informiert worden wären. Zudem hatte der Zugführer einen Dialekt, der nicht einmal durch die Lautstärke verständlich wurde. In Koblenz angekommen suchten wir uns ein schattiges Plätzchen auf dem Bahnhofsvorplatz und frühstückten erst einmal. Wir hatten in Koblenz ca. 3 Stunden zum Umsteigen eingeplant und haben uns zum Abschluss der Moselfahrt eine Pizza geholt. Die war sehr lecker aber viel zu groß und um ehrlich zu sein, hatten wir alle eigentlich keinen Hunger, da unser Frühstück nicht allzu lange her war. Nachdem wir uns die Pizza trotzdem haben schmecken lassen, suchten wir unser nächstes Verkehrsmittel, da die Verbindung nach Limburg nur über Schienenersatz Verkehr möglich war. Leider war für uns nirgends eine Ausschilderung ersichtlich und als die Zeit knapper wurde, huschte Marie ganz schnell zur Information und erfragte unseren Abfahrtsort. Dort überraschte uns ein Top ausgestatteter Reisebus, der zu unserem Glück fast leer war und uns sehr viel Platz zum gemütlichen sitzen bot. Die Klimaanlage sorgte für eine angenehme Atmosphäre und kaum fuhr der Bus los waren Mirija und Nina schon im Land der Träume unterwegs. Kurz vor Limburg wurden die beiden Schläfer auf liebevollste Weise von Marie geweckt. In Limburg angekommen hatten wir nur wenig Zeit zum Umsteigen und liefen fix zu unserem Gleis, um dann direkt in den Zug einzusteigen. Nächster Halt Gießen HBF. Marie rief zwischendurch noch ihren Papa an um noch einmal abzusprechen wo und wann wir uns in Gießen treffen, damit dieser uns die viel zu schweren und unnötigen Planen und Töpfe abnehmen konnte. Das war uns so eine große Erleichterung und die Rucksäcke fühlten sich auf einmal unglaublich leicht an. Da kam direkt die Lust zum Wandern wieder. Maries Mama war so lieb und hat uns alle auf einen Milchshake eingeladen, da konnte wir natürlich nicht nein sagen. Mittlerweile hat sich die andere Gruppe endlich gemeldet und dabei wurde ein nicht unerhebliches Missverständnis aufgedeckt. Der Ort, an dem wir uns treffen wollten, war nicht Hann Münden, sondern Holzminden. Da hatte sich Nina den Ort irgendwie falsch gemerkt. Aber die Information kam noch gerade richtig.
Ida suchte uns am Automaten eine neue Verbindung heraus, laut der wir am Abend gegen 21:00 Uhr in Holzminden ankamen. Dafür war es egal ob wir den nächsten Zug oder den übernächsten nach Kassel nehmen würden und daher blieben wir erst einmal in Gießen. Dort zog so langsam ein Unwetter auf und wir suchten Schutz unter der Überdachung und spielten weiterhin Karten. Es begann wie aus Eimern zu gießen und zwischendurch waren sogar Hagelkörner dabei. Das Unwetter zog langsam über Gießen hinweg und unser Zug sollte auch bald kommen. Da kam die erste Ansage, der Zug hätte 10 Minuten Verspätung. Dann 20 Minuten und dann 30 Minuten. Für uns war klar, dass wir so unseren Anschluss niemals erreichen würden und Marie lief auch dieses Mal zur Information, um mögliche Alternativen abzuklären.
Die Dame teilte ihr dort mit, dass der erste Zug, den wir hätten nehmen können, demnächst mit 70 Minuten Verspätung ankommen würde und uns noch pünktlich nach Kassel bringen würde. Also wurden alle Schuhe schnell angezogen, Rucksäcke geschnappt und wir liefen los zum Gleis. Es kamen noch weitere 10 Minuten hinzu, sodass der Zug mit insgesamt 80 Minuten Verspätung mit uns weiter nach Kassel fuhr. Der nächste Halt war Marburg an der Lahn und dort ging es leider nicht wie geplant weiter. Zunächst kam eine Durchsage, dass die Zugfahrt auf unbestimmte Zeit unterbrochen werden muss, da durch das Unwetter die Strecken Rund um Kassel zurzeit gesperrt sind. Das mussten wir erst einmal so hinnehmen. Damit war leider auch klar, dass wir nicht um 21:00 Uhr in Holzminden ankommen werden und suchten nach weiteren Verbindungen. Es gab eine weitere mit der wir um 23:00 Uhr in Holzminden ankommen würden, aber auch für diese Verbindung müsste der Zug demnächst losfahren. Nachdem wir zwei Stunden im Zug saßen und auf Informationen oder Weiterfahrt hofften, kam eine Durchsage, dass heute kein Zug mehr von oder nach Marburg fahren würde und alle Fahrgäste aussteigen sollten. Gemeinsam mit mindestens 100 anderen Fahrgästen sind wir also in Marburg gestrandet und verließen zunächst einmal den Bahnhof.
Dort rief Nina den DB Service an, um zu erfragen wie das mit unserem Quer-durchs-Land-Ticket ist und ob wir da eine Ermäßigung für den nächsten Tag bekommen. Nach 20 Minuten in der Warteschleife hatten wir einen wirklichen netten Mitarbeiter am Telefon, der uns versicherte das unser Ticket für den morgigen Tag gut geschrieben werden wird und wir damit einfach am nächsten Morgen ins DB Reisezentrum gehen sollen. Kurz danach sprach uns ein netter junger Mann ohne Schuhe an und fragte ob wir auch hier gestrandet sind und noch einen Ort zum Schlafen bräuchten. Etwas skeptisch bejahten wir beiden Fragen und er beschrieb uns direkt den Weg zu einer Pfadfinderwiese eines ansässigen Pfadfinderstammes. Diese sei nicht weit weg und zudem wohl auch ein sicherer Ort. Dankend nahmen wir das Angebot an und machten uns direkt auf den von ihm beschriebenen Weg. Dieser führte uns über die Gleise und hinter dem Bahnhof durch eine Wohngegend. Es ging über ein paar wenige steile Straßen in das Waldgebiet und dort fanden wir die beschriebene Wiese auf Anhieb. Leider war die nicht ganz so abgelegen wie wir das dachten und den ein oder andere Spaziergänger führte es an unserem Schlafplatz vorbei. Trotzdem haben wir uns ein gemütliches Plätzchen hergerichtet und waren sehr dankbar, dass der Tag trotz des ganzen Chaoses doch noch ganz gut endete. Als alle Schlafplätze hergerichtet waren gab es noch ein kleines Abendbrot. Ida wollte den Rest ihrer Gurke der Natur zu Gute kommen lassen und verfehlte ihr Ziel dabei so dermaßen, dass Marie das Gurkenende volle Kanne ins Gesicht bekam. Das hörte sich sehr schmerzhaft an. Trotzdem sollte der Abend gemütlich ausklingen und die Ukulele wurde ausgepackt. Unsere Singerunde wurde spontan von Nina unterbrochen, die auf einmal laut aufschrie. Sie wurde von einer ganz besonders fiesen Ameise gebissen und kühlte die ungünstige Stelle mit einer unserer Alu - Flaschen. Über den ein oder anderen Witz wurde noch gelacht, während die ersten schon in den Schlaf fielen und nun endete auch der sechste Tag unserer Sippenfahrt. Etwas anders als geplant.
Wir stellten uns einen Wecker und packten dann ganz gemütlich unsere Sachen. Danach ging es den ganzen Berg zum Bahnhof wieder herunter und unser erstes Ziel war die DB Information. Dort wollten wir wie gestern mit dem Typen am Telefon abgesprochen unser Ticket auf den heutigen Tag erweitern lassen. Nina ging siegessicher in die DB Info rein und kam nach wenigen Minuten nicht gerade fröhlich wieder heraus. Eigentlich war sie sogar ziemlich sauer. Sie berichtete, dass der Typ am Schalter sehr unfreundlich war und überhaupt nicht zugehört hätte. Am Ende war er sogar ganz
schön schnippisch und frech. Daher mussten wir leider noch ein Ticket kaufen für ganze 62€ und wollen nun versuchen, den anderen Ticket Preis erstattet zu bekommen. Das hat natürlich die Stimmung am Morgen etwas gedämmt.
Trotzdem gingen wir frohen Mutes wieder auf das Gleis, auf dem wir am Vortag so lange vergeblich gewartet hatten. Wie wir da so saßen überkam uns langsam der Hunger und wir beschlossen zur Sicherheit noch ein Brot beim Bäcker zukaufen. Bis der Zug kam spielten wir Karten und auch während der Zugfahrt wurde noch die ein oder andere Runde gespielt. Zudem frühstückten wir endlich und der große Hunger am Morgen konnte somit gestillt werden. Unser erstes Etappenziel war Kassel-Wilhelmshöhe. Auch hier hatten wir, natürlich, wieder etwas Verspätung und mussten schnell zum nächsten Gleis laufen. Von dort ging es dann weiter zu einem anderen Umsteigebahnhof und dann saßen wir endlich, nach gefühlt ewig langer Zeit im Zug nach Holzminden. Als wir dort endlich angekommen waren, riefen wir uns die Wegbeschreibung von Marieke wieder in Erinnerung: „Folgt dem Schild Richtung Weserradweg, dann über die Brücke und links halten.“ Ziel dieser Wegbeschreibung sollte ein Freibad sein, auf das wir uns alle wirklich freuten, da es schon wieder unerträglich warm war. Also suchten wir nach dem richtigen Schild und folgten einem Weg quer durch die Stadt. Nina dauerte das alles schon wieder zu lange und nörgelte rum, dass das Schwimmbad doch noch so weit weg war. Aber eigentlich ging es dann doch noch ganz schnell und als wir die Brücke erreicht hatten, konnten wir die anderen schon winken sehen. Das gab uns nochmal Rest Motivation und wir liefen schnell über die Brücke und zum Eingang hin. Dort trafen wir die andere Gruppe dann endlich. Angekommen im Schwimmbad zogen wir uns in Windeseile um und steuerten direkte das Becken an. Fröhlich und mit der Begeisterung eines 4-Jährigen spielten wir im Wasser und wurden abwechselnd zum Wels. Dieser isst einfach furchtbar gern andere Lebewesen, vor allem im Wasser. Eine Variante dieses Spiels war auch die Wiedergeburt...aber das würde hier den Rahmen sprengen. Wir powerten uns im Wasser komplett aus und erzählten währenddessen der anderen Gruppe, was wir alles so erlebt hatten. Das Badeabenteuer ging langsam zu Ende und der ein oder andere duschte oder zog sich direkt wieder an. Unser erstes gemeinsames Ziel war der Edeka direkt gegenüber und Jorit und Nina wurden als Einkäufer ausgewählt. Es wurden viele leckere Sachen gekauft und zum Abendbrot wollten wir Wraps essen. Während wir die gekauften Lebensmittel auf die Rucksäcke aufteilten, fing es leider wieder an zu regnen und so marschierten wir im nassen weiter. Jorit, Marieke und Jan berichteten von einer Schutzhütte, die nicht weit von hier sein sollte. Diese hatten die drei am Vortag schon gesichtet. Jedoch war die Schutzhütte beim näheren Ansehen nicht so schön und vor allem nicht sauber und daher entschlossen wir uns gegenüber auf der Wiese zu speisen. Es war ein wirklich leckeres essen und wir waren auch noch längst nicht fertig mit erzählen, von all den coolen Dingen, die wir dir letzten Tage erlebt hatten. Nachdem alle satt waren zogen wir wieder weiter und konnten ganz in Ruhe die Schönheit der Landschaft genießen. Angekommen bei der nächsten Schutzhütte beschlossen wir, dass hier eigentlich ein schöner Ort zum Schlafen wäre. So schlugen wir unser Nachtlager gegenüber unter einem großen Baum auf. Dieser sollte uns auch Schutz vor Regen bieten und vor allem auch vor dem aufkommenden Gewitter, welches nun immer deutlicher zu hören war. Ein kleines Liedchen wurde noch zusammen gesungen und dann fielen auch schon die ersten in den Schlaf. Am Himmel blitze es ab und an auf und erleuchtete den ganzen Horizont. Der Wind pfiff geheimnisvoll durch die Äste und gab dem Ganzen eine düstere, aber auch gemütliche Atmosphäre. Da der Platz im Schutz des Baumes nicht so gigantisch groß war, lagen wir alle sehr eng aneinander. Nina konnte daher nicht so gut schlafen und entschied sich dann nachts dafür, einen anderen
Schlafplatz zu wählen, der leider durch einen komplett verwurzelten Boden nicht unbedingt bequemer war. Aber auch die letzte kam irgendwann zur Ruhe und so geht der erste gemeinsame Tag unsere Sippenfahrt zu Ende.
Nach einer mehr oder weniger langen Nacht packten wir gemütlich unsere Rucksäcke und zogen auch direkt schon unsere Regenjacken mit an. Mittlerweile begann es nämlich mehr und mehr zu nieseln. So zogen wir wieder weiter und suchten einen schönen Ort, um zu frühstücken. Gegen Mittag wurde es trotz des milden Morgens immer wärmer und so kam wieder das sonnige Moselfeeling auf und wir steuerten direkt auf eine ausgiebige Mittagspause zu. Wir fanden eine schöne Stelle am Wegesrand und begannen die Pause. Wir waren aufgrund der vergangenen Tage, die zwar wunderschön aber auch sehr anstrengend waren, total kaputt und so schliefen die meisten auch direkt ein. Dann sind wir weitergelaufen und weitergelaufen und weitergelaufen und weitergelaufen. Wir haben die ganze Zeit über süße Schafis am Wegesrand gesehen und immer mal wieder versucht, das ein oder andere zu streicheln. Dabei haben wir beobachtet, dass Schafe zum Teil sehr rücksichtslos miteinander umgehen. Langsam kamen wir endlich näher an unseren Ziel Ort Höxter an und kamen auf dem Weg an einem alten Schloss vorbei. Da beschlossen Ida, Marie und Jan direkt auf die Schlossmauer zu klettern, die auf der anderen Seite ein Baumhaus verbarg. Nachdem alle wieder auf dem Weg zurück waren, machten wir eine kurze Snack- und Erholungspause, in der wir entschieden, welches Freibad unser nächstes Ziel wird.
Wir entschieden uns für ein Freibad direkt im Stadtkern von Höxter und machten uns direkt auf den Weg. Dabei kamen wir auch schon am Bahnhof vorbei, von dem wir am nächsten Morgen aus nach Hause fahren wollten. Als wir endlich im Freibad ankamen suchten wir uns einen schönen Platz im Schatten und sprangen kurzerhand auch schon ins Wasser. Nach einigen Stunden Wasser- und Badespaß machten sich Ida und Marieke schon mal auf dem Weg in die Stadt, um noch etwas einzukaufen. Die anderen mussten auch wenig später das Schwimmbad verlassen, da die Öffnungszeiten langsam, aber sicher dem Ende entgegen schlichen. Wir suchten uns eine kleine schöne Stelle auf der Wiese an der Weser und warteten auf die Einkaufenden.
Als die Beiden mit Leckereien wiederkamen, beschlossen wir auf der anderen Weserseite nach einem Schlafplatz zu suchen. Mittlerweile wurde es auch schon dunkler und die Dämmerung begann. Auf der anderen Seite fanden wir eine zwar sehr öffentliche, aber auch sehr schöne Stelle zum Schlafen, Eine Wiese direkt an der Weser. Dort richteten wir uns ein und genossen den letzten Abend dieser aufregenden 9 Tage. So konnten wir den wunderschönen Sternenhimmel beobachten, der sich aber immer mehr zu zog. Trotzdem fielen wir schnell in den Schlaf. Der zunächst nicht allzu lange dauern sollte......
Diese Nacht schliefen wir sehr unruhig, da wir merkten , wie sich der Himmel zu zog und sich ein Gewitter anbahnte. Wir waren uns unsicher, ob wir nicht doch aufstehen sollten und uns irgendwo hinlegen sollten, wo es etwas regengeschützter wäre. Wir entschieden uns dagegen, weil wir alle keine Lust hatten aus unseren warmen Schlafsäcken aufzustehen und wir dachten das Gewitter zieht an uns vorbei.
Falsch gedacht.
Es fing langsam an zu nieseln und wir sprangen sofort auf und suchten unsere Sachen zusammen. Kaum hatten wir die Wiese verlasen, fing es an zu schütten wie aus Eimern. Es hat seeeehr doll geregnet und gewittert und wir waren froh unsere Sachen schon gepackt zu haben. Wir wollten uns bei einer Beach Bar mit Paradiessandstrand unterstellen, doch die hatten schon geschlossen. Kurzer Hand öffneten wir einen der Regenschirme und stellten uns dort unter in der Hoffnung, dass der Regen weniger werden würde. Doch das tat er nicht. Es regnete weiter ununterbrochen und um uns herum erleuchtete immer wieder der Himmel vor lauter Blitzen.
Nach einiger Zeit opferte sich Nina, sie lief vor und guckte, ob sie irgendwo in der Nähe einen Platz zum schlafen findet. Sie kam zu dem Schluss, dass wir am Bahnhof schlafen sollen. Das hört sich aber jetzt schlimmer an als es war. Der Bahnhof war nur ein ganz kleiner Dorfbahnhof, an dem sich abends keine zwielichtigen Gestalten rumtreiben. Dort angekommen legten wir uns auf eine überdachte Rampe mit ausreichend Distanz zum Bahngleis. Nur leider war der regen so stark gewesen, dass alle unsere Sachen durchgeweicht waren. Jegliche Schlafsäcke, Isomatten, Kissen und Klamotten waren nass. Dies ging sogar so weit, dass Mirija nicht in ihrem Schlafsack sondern unter Zeltbahnen schlafen musste. Vielleicht lohnt es sich doch welche dabei zu haben...
Wir schliefen weiterhin sehr unruhig und wurden morgens von der ersten Bahndurchsage geweckt. Daraufhin folgten immer mehr und mehr Durchsagen, dass reihenweise Züge ausfielen und wir hatten Angst, dass auch unser ausfiel und wir am Bahnhof festsitzen würden. Mittlerweile kamen ab und zu Menschen ans Bahngleis und fragten uns, ob wir denn etwas über die Zugausfälle wüssten. Marieke wurde zur Auskunft und informierte die Fahrgäste über den aktuellen Stand der Dinge.
Um 07:00 Uhr standen plötzlich 150 Schüler am Bahngleis, die alle auf dem Weg zur Schule waren. Wir lagen noch in unseren Schlafsäcken und schämten uns unfassbar doll. Nach diesem zu tiefst erniedrigendem Ereignis konnten wir nicht mehr ruhigen Gewissens schlafen und begannen uns langsam fertig zu machen. Wir fanden heraus das wir in NRW waren und nicht, wie wir dachten, in Niedersachsen und deshalb zweifelten wir an der Gültigkeit unserer Tickets. Marieke betrat das DB Infocenter und fragte dies nach. Sie kam nach kurzer Zeit eilig wieder heraus gerannt und teilte uns mit, dass in fünf Minuten unser Zug käme. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Tickets gültig waren und wir sogar einen Zug früher nehmen konnten. Wir sammelten so schnell wie noch nie unsere Sachen zusammen und nahmen den Rest in die Hand. Die freundliche Dame vom Infocentrum druckte uns unseren Fahrplan aus und wir stiegen in den Zug ein. Dort mussten wir uns erst einmal sortieren und unsere Rucksäcke neu packen. Und so machten wir uns auf den Heimweg...
Wir schwelgten auf dem Rückweg noch in Erinnerung und lachten über die vergangenen Tage und über erlebte Abenteuer. Alles in allem war dies eine sehr schöne aber auch anstrengende Fahrt bei der wir die Natur in vollen Zügen genießen konnten...Und die Bundesstraße....
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